BURKINA FASO: Ein Erfolg für die Wahrheit

von Netzwerk "Gerechtigkeit für Sankara", 18.05.2022, Veröffentlicht in Archipel 314

Thomas Sankara, Präsident von Burkina Faso, der eine Politik der eigenständigen Entwicklung von Afrika, des Kampfes gegen die Korruption und der Befreiung der Frauen realisierte, wurde am 15. Oktober 1987 bei einem Staatsstreich erschossen. Der Prozess gegen die Verantwortlichen seiner Ermordung wurde im Oktober 2021, 34 Jahre später, in Ouagadougou eröffnet und Anfang April 2022 abgeschlossen.

Mit grosser Genugtuung haben wir vom Ende dieses historischen ersten Prozesses erfahren, in dem Blaise Compaoré (ursprünglich ein Weggefährte von Sankara, Anm.d.Red.), General Gilbert Diendéré und Hyancinthe Kafando, Ex-Sicherheitschef von Compaoré, zu lebenslanger Haft verurteilt wurden. Die sechsmonatige Verhandlung konnte das nationale Komplott, das Compaoré an die Macht gebracht hatte, im Wesentlichen entwirren. Der Versuch, die Wahrheit über das internationale Komplott ans Licht zu bringen, dauert noch an.

Durch verschiedenste Manöver war versucht worden, die Arbeit der Justiz zu behindern:

  • die Blockade aller Gerichtsverfahren unter dem Regime von Blaise Compaoré;
  • die Kehrtwende des UN-Menschenrechtsausschusses im Jahr 2008, bei der die Tatsache ignoriert wurde, dass der Ausschuss zwei Jahre zuvor eine Untersuchung gefordert hatte;
  • die Exfiltration von Blaise Compaoré (Präsident seit der Ermordung von Sankara, Anm. d. Red.) durch französische Spezialeinheiten während des Volksaufstands von 2014, wodurch er sich der Justiz seines Landes entzogen hat;
  • die Langsamkeit der französischen Behörden, die sich weigerten, geheime Dokumente herauszugeben, obwohl Präsident Emmanuel Macron dies im November 2017 in Ouagadougou versprochen hatte;
  • der letzte Versuch der Verteidigung, den Prozess nach dem Staatsstreich im Januar 2022 zu unterbrechen.

Wie bereits erwähnt, stellt bereits die Durchführung des Prozesses selbst einen Sieg dar. Der Erfolg ist das Ergebnis eines jahrelangen Engagements von Bürger_inne_n, das durch den grossartigen Aufstand im Oktober 2014 vollendet wurde und in eine internationale Mobilisierung mündete. Es zeigt auch, wie wirkungsvoll Lokales, gebündelt mit globalem Engagement, sein kann; es zeigt die grosse Solidarität im Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit. Wir danken all den unzähligen Menschen auf der ganzen Welt, die sich an der Kampagne zur Einforderung von Gerechtigkeit beteiligt haben, darunter auch die unseres internationalen Netzwerks «Gerechtigkeit für Sankara – Gerechtigkeit für Afrika!», das seit 2008 unermüdlich agiert, gewarnt und informiert hat. Die fast sechs Monate Prozessdauer in einem Land, das von Krieg gezeichnet ist, waren eine grosse Herausforderung. (…)

Kampf um Gerechtigkeit

Wir bedauern nur, dass Blaise Compaoré und Hyacinthe Kafando, die Anführer des Kommandos, nicht anwesend waren und fordern, dass die Elfenbeinküste ihre Auslieferung veranlasst. Sie haben sich für die Flucht entschieden, anstatt zu kommen, um sich zu erklären und zu verteidigen. Leider zeigte die Kehrtwende einiger Zeugen gegenüber dem, was sie bei ihren Vernehmungen ausgesagt hatten, dass die Angst noch nicht verschwunden ist. Im Wesentlichen haben die Ermittlungen und der Prozess jedoch dazu beigetragen, die Fäden des Komplotts zu entwirren, zumindest was den nationalen Teil betrifft. Es steht fest, dass das Kommando am 15. Oktober 1987 vom Haus von Blaise Compaoré ausging. Präsident Thomas Sankara und seine Mitarbeiter wurden ohne Vorwarnung ermordet, ebenso wie die Wachen und Gendarmen, die an diesem Tag vor Ort waren. Leutnant Koama, ein enger Vertrauter von Thomas Sankara, der am ehesten in der Lage gewesen wäre, zu seiner Verteidigung einzugreifen, war zuvor ermordet worden. General Gilbert Diendéré war vor Ort und gab Befehle an bestimmte Gruppen vom Militär, um die Stadt zu sichern und die Kontrolle über die Garnisonen zu übernehmen, die zu Gunsten von Sankara hätten reagieren können.

Doch unser Kampf ist noch nicht beendet. Der französische Staat hat seine geheimen Dokumente immer noch nicht herausgegeben. Wir werden weiterhin Druck ausüben, damit das Versprechen, welches der französische Präsident Macron im November 2017 in Ouagadougou gegeben hat, eingehalten wird. Wir rufen alle gerechtigkeitsliebenden demokratischen Kräfte in Frankreich, den USA, der Elfenbeinküste, Togo, Libyen, Liberia und Sierra Leone auf, bei ihren jeweiligen Regierungen zu intervenieren, damit diese aufrichtig mit der burkinischen Justiz zusammenarbeiten. Der Fall «Sankara und seine Gefährten» ist noch nicht abgeschlossen. Die Ermittlungen im internationalen Teil müssen fortgesetzt werden. Unser Netzwerk bleibt mobilisiert. Der Kampf um die Wahrheit geht weiter.

Geschrieben in Ouagadougou, Banfora, Bobo Dioulasso, Ottawa, Nîmes, Niamey, Montpellier, Berlin, Dakar, Sabadel, Barcelona, Marseille, Ajaccio, Toulouse, Las Palmas, Turin, Rom, Toronto, Albany, New York zwischen dem 6. und dem 8. April 2022.

Das internationale Netzwerk «Gerechtigkeit für Sankara – Gerechtigkeit für Afrika!»

*www.thomassankara.net